Kann ein Werkvertrag ein Fernabsatzvertrag sein? JA!


Von:  Guido Gormanns, LIV Nordrhein / 22.07.2022 / 10:40



Wird ein Werkvertrag vor Ort beim Kunden geschlossen, greift das 14-tägige Widerrufsrecht, sofern der Kunde ein Verbraucher ist. Das sollte sich inzwischen rumgesprochen haben.

Problematisch kann es aber auch werden, wenn ein Malerbetrieb Angebote lediglich auf Grundlage eines Leistungsverzeichnisses abgibt  oder Arbeiten nur  telefonisch vereinbart werden. Sprich Betrieb und Kunde sind sich, weder bei der Vertragsanbahnung noch beim Vertragsschluss körperlich begegnet.

Dann kann ein Fernabsatzvertrag vorliegen, der ebenfalls widerrufen werden kann.

Bekannt sind Fernabsatzverträge im gesamten Bereich des Online-Handels. Doch das Fernabsatzgeschäft reicht bedeutend weiter.

Unter den Fernabsatz fallen alle Verträge, die ausschließlich über Fernkommunikationsmittel geschlossen werden. Nach § 312c Abs. 2 BGB zählen zu den Fernkommunikationsmitteln Telefonate, E-Mails oder über Mobilfunkdienste versendete Nachrichten. Selbst der gute alte Brief auf dem Postweg fällt darunter.

Entscheidendes Kriterium für den Fernabsatzvertrag: Es gibt während der gesamten Prozesskette - Vertragsanbahnung /-verhandlung – Vertragsschluss - keinen persönlichen Kontakt – weder einen Ortstermin am Objekt oder beim Kunden, noch ein Treffen in den Geschäftsräumen des Betriebs.

Typische Fallkonstellationen aus dem Handwerksalltag:

  1. Kunde vereinbart telefonisch einen Wartungstermin (für Maler eher untypisch).
  2. Kunde fordert anhand eines vom Architekten erstellten Leistungsverzeichnisses ein Angebot ohne vorherigen Ortstermin an.
  3. Kunde holt sich ein zweites Angebot zum Vergleich ein – Für das zweite Angebot findet kein Ortstermin mehr statt. Grundlage ist vielmehr das vorherige Angebot eines Kollegen.

Liegt ein Fernabsatzvertrag vor, steht Verbrauchern innerhalb von 14 Tagen ein Widerrufsrecht zu. Handwerker müssen den Kunden dann über sein Widerrufsrecht und die damit verbunden Folgen schriftlich aufklären.

Unterlässt der Handwerker diese Aufklärung oder klärt er unvollständig auf, verlängert sich das Widerrufsrecht sogar um ein ganzes Jahr!

Ein aktueller Fall aus Köln, bei dem man nur den Kopf schütteln kann…

Es kann aber noch schlimmer kommen, wie der aktuelle Fall eines Kölner Malerbetriebs zeigt.

Der Betrieb traf sich anfangs vor Ort mit der Kundin, hat das Objekt in Augenschein genommen und mit der Kundin über Leistung und Ausführung gesprochen. Für das Aufmaß stellte die Kundin später einen Grundriss per Mail zur Verfügung. Die Zusendung des Angebots und die Annahme des Angebots erfolgten ebenfalls über E-Mails.

Nach Fertigstellung der Arbeiten widerrief die Kundin den Vertrag – sechs Monate nach Vertragsschluss.

Das Landgericht Köln gab ihr Recht. Das Gericht wertete das Ganze als Fernabsatzgeschäft.

Der Betrieb hatte vorsorglich eine Widerrufsbelehrung an sein Angebot gehängt. Diese war jedoch nicht ganz vollständig, weshalb sich die Widerrufsmöglichkeit auf 14 Tage plus ein Jahr verlängert hatte.

Den anfänglichen Vor-Ort-Termin mit der Kundin, der eigentlich klar gegen ein Fernabsatzgeschäft sprach, wertete das Gericht als irrelevant, da dieser lediglich der Information gedient hatte.

Begründung: Bei dem Termin hätten keine wesentlichen Vertragsverhandlungen stattgefunden. Zwar konnte sich die Kundin bei dem Ortstermin ein Bild von dem Maler machen und ihre Vorstellungen äußern. Jedoch konnte aus Sicht des Gerichts kein Gesprächsinhalt belegt werden, der später Eingang in den Vertrag gefunden hätte. Zudem habe der Betrieb beim Ortstermin weder ein Aufmaß genommen noch die Kosten genauer erörtert.

Bei einem Vertragsschluss über Fernkommunikationsmittel besteht eine widerlegbare Vermutung, dass es sich um einen Fernabsatzvertrag handelt. Dafür hätte der Betrieb in diesem Fall allerdings den Beweis antreten müssen, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den regelmäßigen Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Organisationssystems erfolgte. Aus Sicht des Gerichts hatte der Betrieb dies aber nicht dargelegt.

Kein Wunder: Wer kommt schon auf die Idee, dass ein typischer Handwerksbetrieb ein speziell für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Organisationssystem unterhält.

Merke: Der Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen (quasi an der Haustür des Kunden) führt zum Widerrufsrecht.

Auch das breite Spektrum des Fernabsatzgeschäfts eröffnet die Widerrufsmöglichkeit, selbst wenn dabei ein persönlicher Kundenkontakt stattgefunden hat (siehe den oben geschilderten Fall aus Köln).

Tipp: Der Fachverband hat ein ausführliches Merkblatt rund um die Problematik Widerrufsrecht, „Haustürgeschäft“, Fernabsatzgeschäft erstellt. Darin enthalten ist auch eine rechtskonforme Widerrufsbelehrung inklusive einer vorbereiteten Widerrufserklärung für Kunden enthalten. Fummeln Sie sich besser keine eigenen Mustertexte zu recht. Vom gesetzlichen Muster abweichende Formulierungen können schnell dazu führen, dass Sie Ihren Belehrungspflichten nicht vollständig oder fehlerhaft nachkommen.

Abschließend nochmals die Konsequenzen eines berechtigten Widerrufs:

Nach einem fristgemäßen Widerruf wird der Vertrag rückabgewickelt. Was dann mit den beiderseitigen Leistungen passiert, hängt vom Einzelfall ab:

  1. Noch nicht verbautes / verarbeitetes Material kann der Handwerker wieder mitnehmen.
  2. Der Betrieb muss die Leistung ggf. auf eigene Kosten wieder zurückbauen.
  3. Ist ein Rück-/ Ausbau nicht möglich, verbleibt die Leistung beim Kunden.
  4. Der Kunde erhält in jedem Fall alle bereits geleisteten Zahlungen zurück erstattet.

           


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